OLG Hamburg: Kununu muss Klarnamen nennen oder Bewertungen löschen
Kununu-Bewertungen zu löschen könnte künftig einfacher sein als bisher. Eine angesichts der bisherigen Rechtsprechung zu negativen Bewertungen im Internet überraschende Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts (Beschl. v. 09.02.2024, Az. 7 W 11/24) lockert den scheinbar in Stein gemeißelten Anonymitätsschutz von Bewertenden erheblich auf.
Wie war die bisherige Rechtsprechung?
Bisher war es so, dass Arbeitgeber, welche von einer anonymen Kununu-Bewertung betroffen waren, diese gegenüber Kununu beanstanden mussten und entsprechend der Rechtsprechung des BGH eine offensichtliche Rechtsverletzung darlegen mussten, um Prüfpflichten bei Kununu als Provider auszulösen. Es reichte also nicht aus, zu schreiben, dass alles, was in der Bewertung geäußert wurde, unwahr ist. Man musste konkret darlegen, warum bestimmte Äußerungen unwahr sind.
Wenn es um Meinungsäußerungen ging, welche beanstandet wurden, musste dargelegt werden, dass es an einer geeigneten wahren Tatsachengrundlage fehlt.
Wichtiger Interessenausgleich durch BGH- Entscheidung aus 2022
Dass bereits in der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH ein gewisses unternehmerfreundliches Umdenken stattfand, konnte man an der sehr wichtigen Entscheidung des BGH (BGH, Urt. v. 9. 8. 2022, Az. VI ZR 1244/20, NJW 2022, S. 3072 ff.) aus dem Jahr 2022 erkennen. Der BGH entschied im Zusammenhang mit Hotelbewertungen auf einem Hotelbewertungsportal, dass bei anonymen Bewertungen, welche bewertete Hotels nicht zuordnen können und daher bestreiten, dass es sich um reale Gäste handelt, der Portalbetreiber den vermeintlichen Gast auffordern muss, darzulegen und Belegtatsachen dafür zu liefern, dass er tatsächlich Gast im bewerteten Hotel war. Tat er dies nicht, fehlte es nun laut BGH an einer Tatsachengrundlage, um das Hotel zu bewerten. Dies hat seither zur Folge, dass Bewertungen dann vom Portal gelöscht werden müssen.
Zuvor entschieden die Gerichte nahezu flächendeckend, dass ein Kundenkontakt für eine negative Google-Bewertung nicht zwingend erforderlich sei, da der Durchschnittsrezipient (Leser) der Bewertung nicht zwingend davon ausgehe, dass ein Kunde die Bewertung abgegeben habe. Dies galt insbesondere für unkommentierte Bewertungen (bloße Sternebewertungen ohne Text). Vielmehr sei es auch möglich, dass jemand ein Unternehmen wegen eines unprofessionellen Internetauftritts negativ bewerte und seine Meinung kundtue.
Das war aus Sicht bewerteter Unternehmen, die teilweise auch Rache Dritter oder von der Konkurrenz veranlasst 20 Bewertungen am Tag erhielten, ein Schlag ins Gesicht und spiegelte vor allem auch die Sicht des Durchschnittsrezipienten nicht wirklich wider. Natürlich geht der Leser davon aus, dass Bewertungen Kundenmeinungen sind und wirkliche Erfahrungen abbilden. Das ist der alleinige Zweck von Bewertungen. Potentielle Kunden – Im Fall von Kununu Arbeitnehmer – sollen eine Orientierung haben, wenn es um die Auswahl eines Dienstleisters oder Arbeitgebers geht.
Von nun an konnten Unternehmen die Kundeneigenschaft anonymer Bewertender gegenüber jedem Portalbetreiber und Provider wie Google und Co. bestreiten, wenn sie den Sachverhalt nicht zuordnen konnten. Damit war Unternehmern, die bis dahin machtlos waren, schon sehr geholfen. Insbesondere 1-Sterne-Bewertungen ohne Text konnten endlich gelöscht werden, wenn die Bewertenden sich nicht zurückmeldeten und die Kundeneigenschaft belegten.
Was sagt das OLG Hamburg in seiner aktuellen Entscheidung?
Das OLG Hamburg geht nun noch einen wichtigen Schritt weiter und zeigt, dass man den zunehmenden Rufschädigungen durch anonyme Bewertungen zu Lasten schutzloser Unternehmen Einhalt gebieten möchte.
Zunächst stellt das OLG Hamburg klar, dass die oben genannte Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2022 sich nicht auf Hotel-Bewertungen beschränkt, sondern natürlich auf jede Form von Bewertung, so auch Arbeitgeberbewertungen auf Kununu und Co.
Auch für die Zulässigkeit von Bewertungen in einem Arbeitgeber-Bewertungsportal kommen die vom Bundesgerichtshof für die Haftung des Betreibers eines Internet-Bewertungsportals entwickelten Grundsätze (BGH, Urt. v. 9. 8. 2022, Az. VI ZR 1244/20, NJW 2022, S. 3072 ff.) vollen Umfangs zum Tragen.
Nun die entscheidende Wendung innerhalb der äußerungsrechtlichen Rechtsprechung durch folgenden Leitsatz:
„Der Bewertete kann die Löschung der Bewertung verlangen, wenn der Portalbetreiber den Bewerter ihm gegenüber nicht so individualisiert, dass er das Vorliegen eines geschäftlichen Kontaktes überprüfen kann. Das gilt auch dann, wenn der Portalbetreiber einwendet, aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen diese Individualisierung nicht vornehmen zu dürfen.“
Bislang war der Anonymitätsschutz der Bewertenden verbrieft. Interessen der bewerteten Unternehmen, welche existenziell durch anonyme negative Bewertungen betroffen waren, wurden weiterhin unzureichend berücksichtigt. Datenschutz war wichtiger als das Unternehmenspersönlichkeitsrecht, ohne die weitreichenden Folgen für Unternehmen zu beachten. Nun erkennt der Pressesenat in Abweichung zur Pressekammer des Landgerichts Hamburg (Beschl. v. 08.01.2024, Az. 324 O 559/23), dass es nicht sein kann, dass Unternehmen anonymen Bewertungen bis in alle Ewigkeit schutzlos ausgeliefert sind, wenn Bewertende vermeintlich nachweisen, Mitarbeiter eines Unternehmens gewesen zu sein, ein Portalbetreiber wie Kununu eine unzureichende Stellungnahme des Bewertenden jedoch weiterhin anonym und nicht zuordenbar an den bewerteten Arbeitgeber weiterleitet.
Datenschutz und Anonymitätsschutz gelten nicht mehr unbegrenzt
Vielmehr sieht es das OLG Hamburg als gerechtfertigt an, den Datenschutz und Anonymitätsschutz gegenüber dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht zurücktreten zu lassen und dem Unternehmen die Möglichkeit zu geben, sich angemessen oder überhaupt gegen eine Bewertung verteidigen zu können. Dies ist schlichtweg nur möglich, wenn man weiß, von wem man bewertet wurde und welche konkreten Vorwürfe zu widerlegen sind.
Fazit:
Arbeitnehmer, aber auch sonstige Bewertende werden sich gut überlegen müssen, was sie über Unternehmen schreiben. Sie riskieren teure Abmahnungen, wenn sie unwahre Tatsachenbehauptungen oder unzulässige Meinungsäußerungen verbreiten. Zwar gilt die Entscheidung zunächst nur für Arbeitgeberbewertungen auf Kununu, wird jedoch auch im Verhältnis Dienstleister vs. Kunde zur Anwendung kommen und recht schnell auch von weiteren Gerichten aufgegriffen werden.
Man darf gespannt sein, ob der BGH auch diesen wichtigen Schritt in Sachen Schutz des Unternehmenspersönlichkeitsrechts und Interessenausgleichs im Zusammenhang mit Bewertungen im Internet geht und mitzieht.
Interviews unserer Kanzlei zum Thema negative Bewertungen
Interview zum Thema negative Bewertungen für das Unternehmermagazin handwerk.com
Interview zum Thema Vorgehen gegen negative Bewertungen für die Wirtschaftswoche (Handelsblatt)
Interview für das Unternehmermagazin impulse.de zum Thema negative Online-Bewertungen
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