Der Produzentenvertrag im Musikrecht – Die wichtigsten Regelungen
Der Produzentenvertrag oder „Producervertrag“ gehört neben dem Bandübernahmevertrag und dem Künstlervertrag zu den gebräuchlichsten Vertragstypen im Musikrecht.
Der nachfolgende Beitrag von Rechtsanwalt David Geßner, LL.M. erläutert, was allgemein bei der Erstellung von Produzentenverträgen zu beachten ist und welche Unterschiede und Überschneidungen sich in Bezug auf andere gängige Vertragstypen ergeben.
Vertragsgegenstand des Produzentenvertrags
Im Rahmen eines Produzentenvertrags wird eine Produktion, dh. die Herstellung einer Ton- oder Bildtonaufnahme eines bestimmten ausübenden Künstlers oder einer Band durch einen Musikproduzenten vertraglich geregelt. Zweck des Produzentenvertrags ist die Übertragung von Verwertungs- und Nutzungsrechten an der Produktion, die dazu erforderlich sind, die Produktion wirtschaftlich auswerten zu können.
Auftraggeber können dabei sowohl der ausübende Künstler selbst, als auch ein Tonträgerunternehmen oder Label sein. Der vom Musikproduzenten zu erbringende Leistungsumfang kann im Einzelfall unterschiedlich ausgestaltet sein:
Soll er als künstlerischer Produzent tätig werden, kann er in dieser Eigenschaft maßgeblichen Einfluss auf den Klang der Aufnahme nehmen. Wird er hingegen nur organisatorisch tätig (etwa bei der Bereitstellung des Studios oder Equipments) oder beschränkt sich sein Einfluss auf wirtschaftlich-technische Vorgänge, erwirbt er in Ermangelung eines eigenen künstlerischen Anteils auch keine Urheberrechte an der Produktion.
Er kann jedoch die Rechte eines Tonträgerherstellers erwerben. Zum Teil ist der Produzent auch für die Auswahl weiterer künstlerischer Produzenten verantwortlich. Beide Tätigkeitsbereiche können auch zusammenfallen. Daher empfiehlt es sich, den Tätigkeitsumfang des Produzenten bereits im Rahmen des Vertragsgegenstands klar zu definieren. Denn davon hängt nicht nur ab, welche Rechte beim Produzenten entstehen, sondern auch, wie er für die vertragsgegenständliche Rechteübertragung vergütet werden muss.
Umfassende Rechteeinräumung beim Produzentenvertrag
Um die Produktion umfangreich verwerten zu können, werden dem Auftraggeber im Rahmen des Produzentenvertrags üblicherweise sehr weitreichende Rechte an der Produktion eingeräumt. Dies beinhaltet regelmäßig eine ausschließliche, zeitlich, örtlich und inhaltlich unbeschränkte Rechteübertragung, die alle im Rahmen des Vertrages erstellten Vertragsaufnahmen erfasst und dazu berechtigt, die Produktion in jeder erdenklichen Weise auszuwerten.
Einschränkungen der Rechteeinräumung in zeitlicher und örtlicher Hinsicht sind in der Praxis untypisch, da sie dem Interesse des Auftraggebers an einer ungehinderten Verwertung entgegenstehen.
Welche Rechte werden übertragen?
Während bei einem rein künstlerischen Produzenten vor allem die Verwertungsrechte gemäß §§ 73 ff. UrhG entstehen, entsteht bei einem rein organisatorisch/technisch verantwortlichen Produzenten ggf. ein Leistungsschutzrecht gemäß den §§ 85, 86 UrhG, sofern er auch das finanzielle Risiko der Produktion trägt.
Sind weitere Personen an der Produktion beteiligt, für deren Auswahl der Produzent verantwortlich war (Studiomusiker, weitere künstlerische Produzenten), räumt der Produzent dem Auftraggeber regelmäßig auch diejenigen Rechte an den Vertragsaufnahmen ein, die bei diesen Mitwirkenden entstehen. In diesen Fällen sollte sich der Produzent zuvor durch entsprechende Verträge mit den Mitwirkenden absichern. Von der Übertragung erfasst sind meist auch sonstige Rechte an den Vertragsaufnahmen, soweit sie für deren Auswertung erforderlich sind. Werbe- und Merchandisingregelungen sind allerdings eher untypisch.
Welche Rechte werden beim Produzentenvertrag nicht übertragen?
Nicht erfasst von der Rechteübertragung sind hingegen die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an vorbestehenden Musikwerken, die der Produktion zugrunde gelegt werden, da die Rechte daran meist von Musikverlagen oder Verwertungsgesellschaften wahrgenommen werden. Wenn die Aufnahme unter Verwendung vorbestehenden Materials produziert werden soll (zB. beim Remix eines Songs), werden häufig sog. Rechte-Clearing-Klauseln vereinbart.
Die Rechte des ausübenden Künstlers oder Interpreten sind ebenfalls nicht Gegenstand des Produzentenvertrags, da der Künstler entweder selbst der Auftraggeber ist oder sich der Auftraggeber (etwa ein Label) die Rechte des ausübenden Künstlers bereits vertraglich (etwa im Rahmen eines Künstlerexklusivvertrags) gesichert hat.
Exklusivität der Vertragsverhältnisse
Anders als die meisten Künstlerverträge und Bandübernahmeverträge sehen Produzentenverträge nur selten eine Exklusivbindung des Produzenten vor. Hintergrund ist, dass der Produzent naturgemäß für mehrere Auftraggeber tätig sein will. Da der Produzent an den Aufnahmen eines Interpreten oder Künstlers regelmäßig keine eigenen Rechte besitzt, besteht auch nicht die Gefahr, dass er die Vertragsaufnahmen einer eigenen Verwertung zuführt. Denn dafür würde er die Rechte des Künstlers benötigen. Eine Exklusivität kann jedoch dann für den Auftraggeber sinnvoll sein, wenn der Produzent bei der Vermarktung und Verwertung des Endprodukts im Vordergrund stehen soll.
Titelexklusivität
Häufig verpflichtet sich der Produzent, die Vertragsaufnahmen für eine bestimmte Zeitdauer nicht neu aufzunehmen oder durch Dritte aufnehmen zu lassen. Üblich sind dabei sieben bis zehn Jahre nach Vertragsende. Denn auch wenn der Produzent keine eigenen Rechte an den Aufnahmen des Künstlers innehat, wäre es ohne weiteres möglich, das Werk mit einem anderen Künstler erneut aufzunehmen und zu verwerten. Die sog. Titelexklusivität soll den Auftraggeber davor bewahren.
Vergütung des Produzenten
Die Vergütung des Produzenten hängt davon ab, ob er künstlerisch schutzfähige Leistungen, eine rein organisatorische/wirtschaftliche Leistung oder beide Leistungen erbracht hat. Die Auswertung der Leistungsschutzrechte des Produzenten werden dann entweder nach den §§ 73 ff. UrhG und/oder nach 85 ff. UrhG vergütet.
Die vereinbarte Umsatzbeteiligung des Produzenten wird je nach Aufgabenfeld des Produzenten auch davon beeinflusst, ob er lediglich die Umsetzung einer im Wesentlichen bereits feststehenden und vom Auftraggeber bestimmten Darbietung eines bereits etablierten Künstlers übernimmt. In diesen Fällen ist eine Beteiligung von ca. 3–5 % auf Basis des Handelsabgabepreises üblich.
Handelt es sich allerdings um einen bekannten bzw. etablierten Produzenten, kann die Umsatzbeteiligung im Einzelfall auch die des Künstlers übersteigen. Umfasst der Aufgabenbereich des Produzenten auch die künstlerische und administrative Vorbereitung der Produktion, die Aufstellung und Vorlage der Produktionskostenplanung oder die persönliche Überwachung und Durchführung der Produktion bis zur Ablieferung des Endprodukts, kann dies bei der Höhe der Umsatzbeteiligung zu berücksichtigen sein.
Produktionskosten
Daneben werden die Leistungen des Produzenten auch durch die sogenannte Produktionskostenpauschale vergütet. Diese wird auf Grundlage eines vor Beginn der Produktion vom Produzenten zu erstellenden Produktionskostenvoranschlags ermittelt. Erfasst sind u.a. die Studiokosten, das Honorar des Produzenten und weiterer Beteiligter (Studiomusiker, Arrangeure, Tontechniker, etc.), sowie Reise- und Übernachtungskosten des Produzenten.
Überschreitet der Produzent das im Kostenvoranschlag angegebene Budget, ist er insoweit ausgleichspflichtig. Durch die Pauschale werden sämtliche Ansprüche des Produzenten auf Ersatz der Produktionskosten und des abzuliefernden Materials abgedeckt.
Vertragspflichten des Produzenten
Aus dem Produzentenvertrag ergeben sich üblicherweise Pflichten des Produzenten in Bezug auf den Ablieferungsumfang, die Ablieferungsfristen und die Abnahme der Vertragswerke. Daneben sind meist bestimmte Nachbesserungspflichten enthalten.
Umfang der Leistung des Produzenten
Geschuldet ist meinst eine bestimmte Anzahl von Vertragsaufnahmen zum Zwecke der uneingeschränkten Auswertung. Der Produzent übernimmt dabei oft eine Garantie dafür, dass sich das Endprodukt in einem technisch und künstlerisch einwandfreien Zustand befindet. Je nachdem, welche Verwertungsformen beabsichtigt sind, kann der Lieferumfang auch die für „live“-Auftritte erforderlichen Versionen (Playback-Version, etc.), als auch die für Single-Auswertungen erforderlichen Versionen beinhalten.
Zudem sehen Produzentenverträge auch Übereignungspflichten an den Masterbändern der Vertragsaufnahmen vor. Auch hat der Produzent eine vollständige schriftliche Aufstellung der Mitwirkenden an der Produktion sowie sämtliche Informationen bereitzustellen, die für die Angaben der „Credits“ sowie für die GEMA-Meldung erforderlich sind.
Vereinbarung von Ablieferungsfristen
Viele Musikproduktionen sind meist auf einen bestimmten Veröffentlichungszeitpunkt abgestimmt, um eine optimale Auswertung zu erreichen. In Anbetracht des meist straffen Zeitplans sehen viele Verträge daher eine genaue zeitliche Regelung des Produktionsablaufs vor, um den avisierten Zeitpunkt der Veröffentlichung erreichen zu können. Dabei werden die einzelnen Fristen für die jeweiligen Produktionsschritte (zB. Beginn des Mischens, Erstellung des Masterbands, Abgabezeitpunkt) regelmäßig als sog. Fixtermine vereinbart.
Liefert der Produzent nicht fristgerecht, kann dies den gesamten Vertragszweck gefährden. Der Produzent haftet allerdings nicht für Verzögerungen, die durch den Auftraggeber selbst oder dritte Beteiligte (Interpreten) verursacht werden.
Abnahme der Leistungen
Teilweise sehen Produzentenverträge für den Auftraggeber bestimmte Möglichkeiten vor, in den Produktionsprozess korrigierend eingreifen zu können. So wird etwa für bestimmte Leistungsteile (zB. zu liefernde Demobänder oder die Lieferung der Bänder der Endmischung) geregelt, dass diese dem Auftraggeber vorab zur Genehmigung vorgelegt werden müssen. Aufgrund der Ähnlichkeiten zum Werkvertrag ist der Leistungserfolg (Herstellung der finalen Produktion) von der Abnahme des Auftraggebers (= Billigung der Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht) abhängig (vgl. § 640 BGB). Er darf die Abnahme jedoch nicht treuwidrig verweigern.
Tipp für die Praxis:
Eine genaue Definition der unterschiedlichen Schritte bis zur Entgegennahme der abzuliefernden Vertragsaufnahmen sollte in jedem Vertrag erfolgen. Auftraggeber sollten darauf bestehen, dass nur das mangelfreie, vertragsgerechte, überspielreife Endprodukt abgenommen wird und insbesondere keine Teilabnahmen stattfinden. Zu Beweiszwecken bietet es sich zudem an, Schriftform für die Abnahme zu vereinbaren.
Quasi unerlässlich aus Sicht des Auftraggebers ist eine Regelung, die bestimmt, wie oft und in welchem Umfang der Produzent verpflichtet ist, ohne zusätzliche Vergütung die Aufnahmen der zu produzierenden Titel zu wiederholen, bis nach Auffassung des Auftraggebers ein Band der gewünschten Qualität vorliegt. Denn diese Frage war schon Gegenstand von zahlreichen Gerichtsverhandlungen und ist im Einzelfall ohne vertragliche Regelung nur schwer zu beweisen.
Ähnlichkeiten des Produzentenvertrags mit anderen Vertragstypen
In Bezug auf den Umfang der Rechteeinräumung bestehen viele Überschneidungen zum Künstlerexklusivvertrag. Die Vergütungsstruktur ähnelt bei Produzentenverträgen hingegen eher dem Bandübernahmevertrag. Gleiches gilt in Bezug auf die Regelung der Nutzungsarten der Vertragsaufnahmen im Wege körperlicher und unkörperlicher Auswertung.
Anders als in Bandübernahmeverträgen sind Zustimmungsvorbehalte in Produzentenverträgen kaum vertreten. Bei derartigen Vorbehalten wird eine bestimmte Art der Verwertung oder die Übertragung einzelner Rechte an den Auftraggeber von der Zustimmung des Produzenten abhängig gemacht. Damit geht für den Auftraggeber ein erhebliches wirtschaftliches Risiko einher, da die Verwertung der Produktion an der fehlenden Zustimmung des Produzenten komplett scheitern kann. Aus diesem Grund werden solche Vorbehalte in Produzentenverträgen von vielen auftraggebenden Tonträgerunternehmen gemieden, zumal der Produzent anders als der Interpret namentlich kaum in der Öffentlichkeit in Erscheinung tritt und deshalb von den regelmäßig als zustimmungspflichtig vereinbarten Auswertungen – wie Werbenutzungen oder Mischkopplungen – weniger direkt betroffen ist.
Vertragsdauer des Produzentenvertrags
In zeitlicher Hinsicht ist die Laufzeit von Produzentenverträgen meist auf eine bestimmte Produktion (etwa eine Single oder ein Album) begrenzt. Längerfristige vertragliche Bindungen sind eher selten, wenngleich viele Verträge Optionsrechte des Auftraggebers auf weitere Singles oder Alben vorsehen. Solche Optionsrechte ermöglichen dem Auftraggeber eine größere Flexibilität, da er den Vertrag bei einer zufriedenstellenden Zusammenarbeit fortführen kann oder bei Ausbleiben des erhofften wirtschaftlichen Erfolgs auslaufen lassen kann.
Für den Produzenten sind solche einseitigen Optionen jedoch eher nachteilig, da er auf die Vertragsfortführung keinen Einfluss hat.
Auch enthalten viele Verträge wegen des hohen Zeitdrucks bis zur Veröffentlichung sehr detaillierte Regelungen zu Kündigungsrechten des Auftraggebers für den Fall eines unbefriedigenden Produktionsablaufs. In diesem Fall bieten sich Regelungen an, die gewährleisten, dass die Rechte des Produzenten an dem bisher produzierten Material unbeschadet einer Kündigung im vollen Umfang auf den Auftraggeber übergehen, um die Produktion ggf. unter Hinzuziehung anderer Produzenten abschließen zu können. Andernfalls wäre das bisherige Arbeitsergebnis für den Auftraggeber wertlos. Der Produzent kann dann jedoch auf einer anteiligen Umsatzbeteiligung bestehen.
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