Der Geschäftsführervertrag
Der folgende Beitrag gibt einen Einblick in das Thema des Geschäftsführervertrags einer GmbH.
Welche Rechtsnatur hat der Geschäftsführervertrag?
Der Geschäftsführervertrag einer GmbH ist nach herrschender Auffassung regelmäßig als freier Dienstvertrag zu qualifizieren und nicht als abhängiger Arbeitsvertrag (BGH 10. 9. 2001 – II ZR 14/00, NJW-RR 2002, 173; 10. 5. 2010 – II ZR 70/09, NJW 2010, 2343; 29. 1. 1981 – II ZR 92/80, NJW 1981, 1270; 9. 2. 1978 – II ZR 189/76, NJW 1978, 1435 (1437)).
Argumentiert wird damit, dass der Geschäftsführer regelmäßig Arbeitgeberbefugnisse ausübt und somit nicht gleichzeitig Arbeitnehmer sein kann (BGH 9. 2. 1978 – II ZR 189/76, NJW 1978, 1435 (1437)). Dies korrespondiert auch mit der unbeschränkten Geschäftsführerbefugnis aus § 35 GmbHG.
Darüber hinaus hält der Gesetzgeber arbeitsrechtlich den Geschäftsführer an einigen Stellen nicht für sehr schützwürdig wie z.B. in § 5 I 3 ArbGG, § 14 I Nr. 1 KSchG, § 5 II Nr. 1 BetrVG. Allein die Befugnis der Gesellschafter, dem Geschäftsführer auf seine Organfunktion bezogene Weisungen zu erteilen, begründet noch keine Abhängigkeit im arbeitsrechtlichen Sinn.
Das Bundesarbeitsgericht teilt im Grundsatz auch die Auffassung der herkömmlichen herrschenden Meinung, dass es sich bei dem GmbH-Geschäftsführervertrag regelmäßig um ein freies Dienstverhältnis handele (BAG 26. 5. 1999 – 5 AZR 664/98, NZA 1999, 987 (988); LAG Köln 13. 12. 2019 – 9 Ta 186/19, NZA-RR 2020, 319).
Das BAG stellt jedoch klar, dass die Vertragsbeziehungen im Einzelfall nicht immer als freier Dienstvertrag qualifiziert werden müssen. Das heißt, dass die Parteien nicht gehindert sind, einen Arbeitsvertrag abzuschließen oder arbeitsrechtliche Regelungen zu treffen (BAG 26. 5. 1999 – 5 AZR 664/98, NZA 1999, 987 (988); 20. 8. 2003 – 5 AZB 79/02, NZA 2003, 1108 – GmbH & Co. KG; 25. 10. 2007 – 6 AZR 1045/06, NZA 2008, 168 (169) – Fall einer Drittanstellung). Letzteres wird aber in der Praxis selten vorkommen.
Wichtig ist aber auch, wie der Vertrag, sei es auch nur ein Dienstvertrag, zwischen den Parteien gelebt wird.
Gibt es Fälle, in denen ein GmbH-Geschäftsführer doch als Arbeitnehmer gilt?
Im Einzelfall bedarf es einer differenzierenden Betrachtungsweise bei der Anwendung arbeitsrechtlicher Regelungen. Hier können die Frage, ob es sich um einen Fremdgeschäftsführer handelt, der Umfang der Beteiligung an der GmbH im Falle eines Gesellschafter-Geschäftsführers, die Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags, sowie der Inhalt des Geschäftsführervertrags bei der Beurteilung eine Rolle spielen.
So hat der BGH in seiner Entscheidung vom 26.3.2019, indem er in europarechtskonformer Auslegung erstmals den GmbH-Fremdgeschäftsführer als Arbeitnehmer betrachtete, für großes Aufsehen gesorgt (BGH 26. 3. 2019 – II ZR 244/17, NJW 2019, 2086).
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt ging es darum, dass der betroffene Fremdgeschäftsführer insoweit als Arbeitnehmer im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) anzusehen ist, wie bei der Kündigung seines Dienstvertrags der sachliche Anwendungsbereich des AGG eröffnet ist.
Die Entscheidung des BGH geht wiederum auf die Rechtsprechung des EuGH zurück, der den Fremd- und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer als Arbeitnehmer im Sinne von Richtlinien der Europäischen Union einordnet (EuGH 11. 11. 2010 – C 232/09, NZA 2011, 143 – Danosa; EuGH 9. 7. 2015 – C 229/14, NZA 2015, 861 Balkaya).
Arbeitnehmer im Sinne europäischer Richtlinien ist danach auch ein Mitglied der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft, das dieser gegenüber Leistungen erbringt und in sie eingegliedert ist, wenn es seine Tätigkeit für eine bestimmte Zeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt und als Gegenleistung für die Tätigkeit ein Entgelt erhält.
Eine rein gesellschaftsrechtlich begründete Weisungsgebundenheit genügt danach. Diese ist auch bei einem GmbH-Geschäftsführer zu bejahen, der keinen bestimmenden Einfluss auf die Gesellschaft ausüben kann. Entscheidend ist danach die Erbringung von Leistungen für eine Person gegen Vergütung nach deren Weisungen für eine bestimmte Zeit. Dieses Verständnis ist mit den Maßgaben und Möglichkeiten der richtlinienkonformen Auslegung oder in Ausnahmefällen richtlinienkonformer Rechtsfortbildung zur Geltung zu bringen.
Es bleibt nunmehr abzuwarten, wie sich die obig bezeichneten Tendenzen in der Rechtsprechung auch auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auswirken.
Bisher gelten jedenfalls folgende Grundsätze des Bundesarbeitsgerichts zur Einstufung des GmbH-Geschäftsführers:
- Die Einstufung des Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführers (also mehr als 50 % der Gesellschaftsanteile) als Arbeitnehmer ist grundsätzlich ausgeschlossen, da er einen maßgeblichen Einfluss auf die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung hat. Insofern scheidet die ,,persönliche Abhängigkeit’’ aus.
- Selbst der Fremdgeschäftsführer scheidet als Arbeitnehmer aus, wenn er selbstverantwortlich über Zeit und Ort der Arbeitsleistung entscheiden kann. Als Arbeitnehmer kommen bisher folglich nur Personen in Frage, die entweder gar keine Anteile besitzen oder Minderheitsgesellschafter sind, und in Bezug auf Zeit, Ort und Inhalt der Arbeit weisungsabhängig sind.
Welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich, wenn hingegen ein rein freies Dienstverhältnis vorliegt?
Es gelten die Vorschriften des BGB über Dienstverträge, soweit diese nicht ausschließlich Arbeitsverhältnisse betreffen (§§ 611 ff. BGB). Dazu zählt z.B. die Zeugnispflicht. Nicht anwendbar sind dagegen z.B. § 623 BGB (Schriftformerfordernis der Kündigung), § 619 a BGB (Beweislastregelungen bei Schadensverursachung) und der § 613 a BGB (Vorschriften bei Betriebsübergang).
Arbeitsrechtliche Schutzgesetze wie z.B. das Entgeltfortzahlungsgesetz sind grundsätzlich unanwendbar. Ebenfalls sind die Vorschriften zum allgemeinen Kündigungsschutz nicht anzuwenden. § 14 I Nr. 1 KSchG regelt auch explizit, dass die Vorschriften des ersten Abschnittes des Kündigungsschutzgesetzes in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder eines Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist, nicht anzuwenden sind. Letzteres trifft auf GmbH-Geschäftsführer zu.
Exkurs: Wie steht es um die Sozialabgaben für einen Geschäftsführer?
Für GmbH-Geschäftsführer gibt es keine spezialgesetzliche Regelung zur Sozialversicherungspflicht. In § 7 Abs. 1 SGB IV steht:
,,Beschäftigung ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.“
Ob eine Tätigkeit als selbstständig oder nichtselbstständig einzustufen ist, richtet sich nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung. Die maßgeblichen Faktoren sind die Eingliederung in den Betrieb und das unternehmerische Risiko. Nichtselbstständig ist der Geschäftsführer oft dann, wenn er so in den Betrieb eingegliedert ist und von Weisungen abhängig ist, dass er über die Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung nicht mehr frei entscheiden kann.
Gleiches gilt auch dann, wenn der Geschäftsführer zwar seine Arbeitsleistung hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort frei gestalten kann, diese Freiheit jedoch jederzeit widerrufen werden kann.
Ein sehr wichtiges Kriterium ist die Kapitalbeteiligung des Geschäftsführers. Bei einem Mehrheitsgesellschafter, der weisungsunabhängig ist, wird regelmäßig angenommen, dass keine Sozialversicherungspflicht vorliegt. Jedoch kann gegebenenfalls schon eine geringere Kapitalbeteiligung ausreichen, wenn der Geschäftsführer eine umfassende Sperrminorität besitzt und somit ihm unangenehme Weisungen verhindern kann.
Die Annahme der Selbständigkeit lässt sich auch nicht umgehen, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer zumindest formal abhängig als Arbeitnehmer angestellt wird. Denn in diesem Fall kann er aufgrund seiner beherrschenden Gesellschafterstellung sein Arbeitsverhältnis beenden oder ändern.
Für die Befreiung von der Sozialversicherungspflicht reicht es auch nicht aus, dass der Geschäftsführer schon allein aufgrund seiner familiären Beziehung zu den Gesellschaftern oder aufgrund seiner übermäßigen Fachkenntnisse faktisch wie ein Alleininhaber handelt.
Die Sozialgerichte gucken bei der Bewertung häufig auf die vertraglichen Verhältnisse aus dem Geschäftsführervertrag und/oder dem Gesellschaftsvertrag, sodass bei der Formulierung dieser Verträge Vorsicht geboten ist.
Eine Stimmrechtsvereinbarung vermag ebenfalls nicht die für die Annahme einer Selbständigkeit notwendige Rechtsmacht vermitteln, da sie keine gesellschaftsrechtlichen Befugnisse mit sich bringt und rein schuldrechtlicher Natur ist. Selbiges gilt für den Fall, wo ein Vetorecht im Geschäftsführervertrag vereinbart wird, denn auch dieses hat keine gesellschaftsrechtliche Auswirkung.
Analog verhält es sich auch für den Fall einer Treuhandschaft, wenn der geschäftsführende Gesellschafter die Anteile an der Gesellschaft als Treuhänder hält. Die zugrunde liegende Treuhandvereinbarung beinhaltet in der Regel Weisungsbefugnisse und Genehmigungspflichten, die der Geschäftsführer einhalten muss. Daher ist es weiterhin der Gesellschafter als Treugeber und nicht der Treuhänder, der das Unternehmen kontrolliert. Trotz der Kapitalmehrheit kann der Geschäftsführer die Willensbildung des Unternehmens nicht beeinflussen, was zur Sozialversicherungspflicht führt.
Zur Sicherheit sollte ein Statusantragsverfahren bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung durchgeführt werden. Die Entscheidung nach Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls ist dann verbindlich.
Indizien für eine selbstständige Tätigkeit = keine Sozialversicherungspflicht sind:
- Kapitalbeteiligung höher als 50 %
- Geringe Kapitalbeteiligung, aber Geschäftsführer hat umfassende Sperrminorität
- kein Selbstkontrahierungsverbot vereinbart
- Erfolgsabhängiges Gehalt ist vereinbart
- Geschäftsführer kann seine Tätigkeit in Bezug auf Ort, Dauer, Zeit und Umfang frei einteilen
- Recht zur unmittelbaren und alleinigen Vertretung der GmbH ist vereinbart
- Familiäre Rücksichtnahme ist vertraglich geregelt, d.h. die zur Familie gehörenden Gesellschafter üben keine Weisungsrechte gegenüber dem zur Familie gehörenden Geschäftsführer aus
- Geschäftsführer hat seine eigene Betriebsstätte
- Geschäftsführer hat eine Bürgschaft übernommen
- Geschäftsführer hat Einfluss auf die betriebliche Organisation
Achtung: Es kann in Sonderfällen, selbst bei Bejahung der Selbständigkeit, nach den vorstehend genannten Kriterien, dennoch zur Rentenversicherungspflicht kommen. So z.B. gemäß § 2 Nr. 9 SGB VI. Hiernach sind selbstständig Tätige rentenversicherungspflichtig,
- die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und
- auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind (als Auftraggeber gelten die Auftraggeber der Gesellschaft).
Das Kriterium ,,im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber’’ liegt vor, falls 5/6 des jährlichen Umsatzes über ihn erzielt werden. Eine Ausnahme hiervon können Existenzgründer für einen Zeitraum von 3 Jahren beantragen. Ebenfalls können Personen, die erst nach dem 58. Lebensjahr erstmalig versicherungspflichtig wären, eine Befreiung beantragen.
Indizien für eine nichtselbstständige Tätigkeit (= Sozialversicherungspflicht) sind:
- Wichtigstes Kriterium: keine Kapitalbeteiligung (,,Fremdgeschäftsführer’’)
- Ebenfalls sehr gewichtiges Kriterium: Beteiligung an den Geschäftsanteilen unter 50 %
- Jahresurlaub ist vereinbart
- Festes Jahresgehalt
- Eingliederung in die betriebliche Arbeitsorganisation
- Ein Wettbewerbsverbot ist im Geschäftsführervertrag vereinbart
- Überstunden werden vertraglich vergütet
- Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist vertraglich geregelt
- Arbeitgeberzuschuss im Krankheitsfall ist vertraglich geregelt
- Selbstkontrahierungsverbot ist vereinbart
- Abschluss von Unfall- oder Lebensversicherungen für den Geschäftsführer
- Unterordnung unter einen anderen Geschäftsführer
- eigene Zuständigkeitsbereiche für jeden von mehreren Geschäftsführern
Weiterer Hinweis: Bei Änderung der Verhältnisse ist der Status erneut festzustellen. Dies kann schon gegeben sein, wenn eine andere Bewertung des Sachverhalts möglich ist.
Fazit
Die Regelungen des Geschäftsführervertrags können extreme rechtliche und vor allem finanzielle Konsequenzen haben, sodass auf keinen Fall pauschal irgendwelche Muster aus dem Internet übernommen werden sollten. Suchen Sie sich anwaltliche Hilfe bei der Formulierung bzw. beim Prüfen eines Geschäftsführervertrags. Wir helfen Ihnen gerne weiter.
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