Gemeindeblätter und -webseiten dürfen freie Presse nicht ersetzen
Mehrfach hat sich der BGH in den letzten Jahren mit kommunalen Informationsangeboten auseinandergesetzt (BGH, Urt. v. 13.7.2023 – I ZR 152/21, GRUR 2023, 1299 – muenchen.de; BGH, Urt. v. 14.7.2022 – I ZR 97/21, GRUR 2022, 1336 – dortmund.de). Auch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht noch aus (1 BvR 1742/22).
Für Gemeinden bedeutet die Rechtsprechung eine Gratwanderung. Auf der einen Seite steht ihr Wunsch, ihren Anwohnern ein attraktives Informationsangebot zu liefern, auf der anderen Seite besteht die Notwendigkeit, dem Gebot der Staatsferne der Presse gerecht zu werden. Verstoßen sie nämlich gegen dieses Gebot, setzen sie sich Unterlassungsansprüchen von Mitbewerbern nach dem UWG aus.
Für besagte Mitbewerber, etwa die Lokalzeitung, ergeben sich dagegen Möglichkeiten, gegen eine Verdrängung durch staatliche – und folglich nicht denselben finanziellen Zwängen ausgesetzte – Informationsangebote vorzugehen.
Gebot der Staatsferne der Presse
Das Gebot der Staatsferne der Presse aus Art. 5 I 2 GG lässt Öffentlichkeits- und Informationsarbeit von Hoheitsträgern nur im Rahmen der ihnen durch die in Art. 28 II 1 GG normierte Selbstverwaltungsgarantie zugewiesenen Aufgaben zu.
Daraus ergeben sich zwei Grenzen der kommunalen Öffentlichkeitsarbeit. Zum einen bedarf es eines spezifischen Orts- und Aufgabenbezugs. Die Aufgaben der kommunalen öffentlichen Verwaltung sind dabei nicht auf Verwaltungshandeln im bürokratisch-technischen Sinne reduziert, sondern erfasst all diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben.
Zum anderen muss aber auch die Institutsgarantie der freien Presse aus Art. 5 I 2 GG gewahrt werden. Im Ergebnis, so der BGH, muss dabei die Institutsgarantie größtmögliche Wirksamkeit erhalten, während die Gemeinde lediglich in der Lage sein muss, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln. Auch bei einer vermeintlich unzureichenden Versorgung mit Informationen über das örtliche Geschehen durch die private Presse, darf eine solche Informationslücke nicht durch eine eigene, von amtlichen Bezügen losgelöste Informationstätigkeit geschlossen werden.
Gesamtcharakter des Gemeindeblatts entscheidend
Einzelne die Grenzen zulässiger staatlicher Öffentlichkeitsarbeit überschreitende Artikel allein begründen keine Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse. Notwendig ist vielmehr eine wertende Betrachtung der Publikation insgesamt. Im Rahmen einer Einzelfallprüfung ist entscheidend, ob der Gesamtcharakter der kommunalen Publikation geeignet ist, die Institutsgarantie des Art. 5 I 2 GG zu gefährden. Anhaltspunkte für eine Gefährdung bestehen z.B., wenn die Gemeinde als Teil des Staates auf den lokalen Kommunikationsprozess bestimmend Einfluss nimmt. Keinesfalls darf die kommunale Publikation den Lesern eine Fülle von Informationen bieten, die den Erwerb einer Zeitung entbehrlich macht.
Je deutlicher eine kommunale Publikation Themen besetzt, deretwegen Zeitungen gekauft werden, desto wahrscheinlicher ist der Leserverlust bei der privaten Presse und eine damit einhergehende, dem Institut der Freien Presse zuwiderlaufende Meinungsbildung durch den Staat von oben nach unten. Zu den typischen, auch grundrechtlich zugeordneten Funktionen privater Presse gehört im Übrigen auch die Verbreitung von Inseraten, weshalb sie bei staatlichen Publikationen nur eine untergeordnete Rolle spielen darf.
Geschwächte Lokalzeitung darf nicht ersetzt werden
Nicht selten steht einem umfangreichen Gemeindeblatt eine geschwächte Lokalzeitung gegenüber, die an Bedeutung verloren hat und kaum in der Lage ist, ihre durch Art. 5 I 2 GG geschützte Aufgabe wahrzunehmen. Dieser Zustand, der zunächst dazu einlädt, diese Lücke durch gemeindliche Arbeit zu schließen, hat den gegenteiligen Effekt. Er führt dazu, dass die Grenze zur Gefährdung der Institutsgarantie noch schneller überschritten wird.
Indem von ihr vernachlässigte Themenfelder besetzt und gleichzeitig Inserate abgeworben werden, wird es ihr endgültig unmöglich, die ihr zugeordnete Pressearbeit zu machen. Zugleich wird das Gemeindeblatt noch schneller bei den angesprochenen Verkehrskreisen als funktionales Äquivalent zu einer privaten Zeitung wahrgenommen.
Fazit
Das letzte Wort in dieser einzelfallbezogenen Rechtsprechung ist ersichtlich noch nicht gesprochen. Dennoch zeigt sich, dass es sich für Kommunen lohnen kann, genauer hinzusehen, ob sie sich noch in ihrem Aufgabenbereich bewegen oder bereits die Presse unzulässig verdrängen. Genauso kann es sich für lokale Presse lohnen, auf ihrer wichtigen Rolle zu beharren und gegen Verdrängungswettbewerb von staatlicher Seite vorzugehen.
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