Erfolg gegen Märkische Allgemeine Zeitung (MAZ) vor dem Landgericht Berlin
Unser Medienrechtsteam konnte einen weiteren presserechtlichen Erfolg für einen Mandanten verzeichnen. Mit Urteil vom 31.10.2019 (Aktenzeichen: 27 O 62/19) hat das Landgericht Berlin unserer Klage gegen die Märkische Allgemeinen Zeitung (MAZ) überwiegend stattgegeben.
Zum Sachverhalt:
Die beklagte Zeitung veröffentlichte auf ihrer Webseite einen Artikel über eine Erkrankung unserer minderjährigen Mandantin; dies unter voller Namensnennung und Abbildung eines Fotos. In eine derartige Veröffentlichung hatten weder unsere Mandantin noch ihre Eltern eingewilligt.
Die MAZ setzte sich nicht nur über den erklärten Willen unserer Mandantin hinweg, sondern verbreitete zudem noch Unwahrheiten in Bezug auf das Krankheitsbild unserer Mandantin. Dem Artikel war zudem jeder Aufklärungscharakter abzusprechen. Über die Beweggründe der MAZ, identifizierend und falsch über unsere Mandantin zu berichten, kann nur gemutmaßt werden.
Landgericht Berlin: Berichterstattung verletzt Rechte unserer Mandantin
Mit Urteil vom 31.10.2019 verbot das Landgericht Berlin der MAZ, identifizierend, d.h. unter Namensnennung und Abbildung eines Fotos über unsere Mandantin, zu berichten sowie die aufgestellten unwahren Tatsachenbehauptungen weiterhin zu verbreiten.
Verletzung des Rechts am eigenen Bild
Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen (vgl. BGH, Urteile vom 06.03.2007 – VI ZR 13/06 und VI ZR 51/06).
Bildnisse einer Person dürfen grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG).
Das Recht am eigenen Bild ist eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Daraus ergibt sich, dass grundsätzlich allein dem Abgebildeten die Befugnis zusteht, darüber zu entscheiden, ob und in welcher Weise er der Öffentlichkeit im Bild vorgestellt wird (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.1995 – VI ZR 15/95).
Vorliegend galt die Besonderheit, dass unsere Mandantin noch minderjährig war.
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+49 30921011500 kontakt@gessner-legal.deHierzu hält das Landgericht Berlin fest:
„Für die Erklärung Minderjähriger, die – wie die Klägerin (unsere Mandantin) hier - das 7. Lebensjahr bereits vollendet haben, gelten die §§ 107 bis 113 BGB (…). Ist der Abgebildete minderjährig und deshalb beschränkt geschäftsfähig, bedarf es zusätzlich der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters (BGH, Urteil vom 28.09.2004 – VI ZR 305/03); dies sind bei- wie hier geteilter elterlicher Sorge, gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB beide Erziehungsberechtigten.“
Vorliegend hatten weder die Mutter noch der Vater unserer Mandantin in die Veröffentlichung des Fotos ihrer Tochter, unserer Mandantin, eingewilligt. Daher war die Fotoveröffentlichung bereits aus diesem Grunde unzulässig und daher zu unterlassen.
Rechtswidrige Namensnennung unserer Mandantin in der MAZ
Dem Antrag unseres Medienrechtsteams, identifizierend, d.h. unter Namensnennung, über unsere Mandantin zu berichten, wurde ebenfalls stattgegeben. Zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht einer Person, insbesondere einer nicht in der Öffentlichkeit stehenden Person, gehört das Recht auf Anonymität.
Dieses Recht folgt aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gibt einen Anspruch dagegen, persönliche Lebenssachverhalte zu offenbaren und seine Person so der Öffentlichkeit insbesondere durch Identifizierung und Namensnennung verfügbar zu machen. Danach kann der Einzelne grundsätzlich selbst darüber entscheiden, ob, wann und innerhalb welcher Grenzen seine persönlichen Daten in die Öffentlichkeit gebracht werden.
Auch das Recht auf Anonymität ist allerdings nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne hat keine absolute, uneingeschränkte Herrschaft über „seine“ Daten.
- Er entfaltet seine Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft
- In dieser stellt die Information, auch soweit sie personenbezogen ist, einen Teil der sozialen Realität dar, der nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann
- Vielmehr ist über das Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person zu entscheiden
Deshalb muss der Einzelne Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung hinnehmen, wenn und soweit solche Beschränkungen von berechtigten Gründen getragen werden und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründen die Grenze des Zumutbaren noch gewahrt ist (BGH, Urteil vom 13.11.1990 – VI ZR 104/90).
Die Nennung des Namens einer Person (ohne deren Einwilligung) ist nur dann zulässig, wenn für die Mitteilung über die Person ein berechtigtes, in der Sache begründetes Interesse besteht (BGH, Urteil vom 15.11.2005- VI ZR 286/04).
Sofern über Minderjährige oder beschränkt Geschäftsfähige identifizierend berichtet wird, bedarf es aus den oben dargelegten Gründen auch insoweit einer Einwilligung beider Erziehungsberechtigter.
Das Landgericht schreibt hierzu:
„Der streitbefangene Artikel befasst sich mit den Risiken einer XX-Erkrankung. Die Klägerin (unsere Mandantin) und ihre Erkrankung werden hierbei als Beispiel angeführt. An der Person der Klägerin besteht dabei aber kein öffentliches Interesse. Soweit neben der Abbildung ihres Fotos auch ihr vollständiger Name genannt wurde, hätte es für eine zulässige Veröffentlichung insoweit jedenfalls auch des Einverständnisses ihres Vaters bedurft, welche unstreitig nicht vorlag.“
Fazit: Berichterstattung der MAZ war unzulässig
Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die MAZ sich über diese seit Jahrzehnten bekannten Grundsätze bei der Veröffentlichung von Fotos und Namen von Minderjährigen hinwegsetzte und sich dazu entschied, die Person unserer minderjährigen Mandantin und ihre Erkrankung gegen ihren Willen und den ihrer Eltern einer breiten Öffentlichkeit vorzuführen.
Die Auswirkungen derartiger Veröffentlichungen, insbesondere auf Kinder und Jugendliche, liegen in Zeiten der Onlineberichterstattung und des „Nichtvergessens“ des Internets auf der Hand. Umso mehr erstaunt es, dass sich Medien zum Teil schon nicht an die oben erläuterten Basics halten, um ihrer Leserschaft eine „Story“ bieten zu können; dies vorliegend auf Kosten eines Kindes. Dies kann nicht hingenommen werden.
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